Zu früh geboren

Zu früh geboren

Zu früh geboren, stellt die Eltern und das Baby nochmal vor ganz andere Herausforderungen.

Realisieren, akzeptieren, Verständnis aufbringen, Hilflosigkeit, Ängste und Verlust sind nur einige der Worte, die mir in meiner Arbeit mit den Frühcheneltern immer wieder begegnet sind. Immer wieder stellen sich die Eltern die gleiche Frage. Was habe ich falsch gemacht? Was hätte ich besser machen können? Es war doch bis hierhin eine komplikationslose Schwangerschaft, warum passiert gerade mir das und warum zur Hölle liegt gerade mein Baby in einem Incubator mit Schläuchen bedeckt und strampelt nicht mehr behütet in meinem Bauch, im wohlig warmen Fruchtwasser herum?

Fragen, auf die ich auch als Pflegefachkaft der Neonatologischen Station nicht immer eine Antwort habe, aber auf all die belastenden elterlichen Gefühle habe ich eine Antwort. Und zwar, dass du liebe Mami absolut nichts falsch gemacht hast, dass du liebe Mami und lieber Papi die Besten für euer Baby seid und dass ihr als Eltern ab jetzt schon ganz viel für eurer Baby und eure Bindung zueinander tun könnt.

Wir holen gemeinsam eure verlorene Zeit nach, wenn auch anders als gedacht, aber ihr werdet zusammenfinden und wir werden für alle Umstände die passenden Möglichkeiten finden um auf eure bestehenden Bedürfnisse einzugeben. Und meist, in so einem Gespräch, wenn ich diese Worte einmal ausgesprochen habe, sitzen die Eltern vor mir, mit großen Augen, die Tränen kullern, und sie holen das erste Mal wieder so richtig Luft.

Nach dem abrupten Beenden der Schwangerschaft durch die Frühgeburt und dem nicht so sanften Einstieg in eine gemeinsame erste Kennenlernphase und Kuschelzeit, realisieren die Eltern nicht zuletzt durch viele Gespräche, dass sie gar nicht so hilflos sind, wie sie anfangs vermuteten.

Was bedeutet eigentlich Frühgeburt?

Von einer Frühgeburt spricht man, wenn das Baby vor dem Ende der 37. Schwangerschaftswoche zur Welt kommt.

Man unterscheidet dann nochmal, je nach Schwangerschaftswoche und Gewicht des Babys in:

  • extreme Frühgeborene unter 1.000 g
  • sehr frühe Frühchen unter 1.500 g
  • mäßig frühe Frühgeborene unter 2.500 g

Die Anzeichen einer Frühgeburt und warum das ganze passiert, sind nicht immer vorauszusehen oder gar festzustellen.

Der Idealfall!

In meiner Arbeit mit den Frühcheneltern ist ein ausnahmslos respektvoller, liebevoller und einfühlsamer Umgang miteinander unabdingbar. Mit dem Team rund um die Eltern herum steht und fällt die medizinische Versorgung und der Bindungsaufbau zum Kind von Anfang an.

Hatte die werdende Mama schon vorher Zeit, sich mit dem Thema Frühgeburt auseinander zu setzen oder passierte es von heute auf morgen, ohne Vorwarnung dass etwas nicht stimmte? Egal wie, in beiden Fällen ist ohne Frage eine multiprofessionelle Begleitung durch Ärzte, Krankenschwestern, Pfleger, Kinderkrankenschwestern, Hebammen, Stillberatern von Nöten.

Das ist der Idealfall, alle rund um das Frühgeborene und Elternpaar sorgen als Team dafür, dass sie zusammen wachsen dürfen, das Baby bestmöglich medizinisch versorgt wird und die Eltern emotional und aktiv begleitend unterstützt werden können.

Eine kleine Hand voll Liebe!

Meist stehe ich erstmals gemeinsam mit der Mama oder Papa vor dem Wärmebettchen oder Incubator.

Je nach Allgemeinzustandes und Stabilität des Frühchens, lasse ich die Eltern sehr gerne im Liegestuhl Platz nehmen, den Oberkörper frei machend und gebe zum aller ersten Mal, in Ruhe und ganz behutsam, ihre kleine Hand voll Liebe auf die nackte Haut zum bonden.

Sie bekommen von mir auch gern einen Spiegel in die Hand, so dass die Person die gerade bondet, das eigene Baby noch besser beobachten und wahrnehmen kann. Denn alles ist noch so viel kleiner und zarter als bei einem Neugeborenen. Diese intensive Zeit zu zweit, intensive Nähe nachholen und geben, darf gern mehrmals am Tag wiederholt werden und das, wann immer es geht.

Der aller erste Kontakt zwischen Mama/Papa und Baby sollte bestmöglich direkt nach der Geburt erfolgen. Wenn das aber zum Beispiel durch eine Frühgeburt nicht möglich ist, kann man das Bonding jederzeit nachholen. Wichtig ist dabei nur, sich selbst und dem Baby diese Ruhe und Zeit zu gönnen.

Für sein Baby da zu sein, zu genießen, Haut an Haut zu spüren und so auf ganz magische und einfachste Art und Weise, Geborgenheit, Sicherheit, Wärme und Liebe schenken.

Und warum hilft genau das meinem Baby hier auf dieser Welt anzukommen?

Weil das genau das ist, was ich als Eltern immer dabei habe, mein Sein als Mama oder Papa bedeutet für das Baby die ganze kleine Welt.

Das ist etwas, was nur ich zu 100% meinem Baby geben kann, ich brauche mich nicht länger nutzlos, hilflos oder ohnmächtig zu fühlen. Als Eltern kann ich mein Kind aktiv beim wachsen und gedeihen unterstützen. Ich kann körperliche Beschwerden mildern. Ich kann mein Baby lesen lernen und fühle wenn es ihm nicht gut geht, ich weiß intuitiv, was es braucht. Ich höre auf mein Bauchgefühl und baue so eine noch tiefere Bindung zu meinem Kind auf. Ich spreche jeden Tag mit meinem Baby, summe oder singe ihm Lieder vor, erzähle Geschichten oder spiele leise immer wieder vertraute Musik ab, führe jeden Tag vielleicht ein kleines Begrüßungsritual durch.

Ich kann dazu nur sagen, dass schon die kleinsten Frühchen davon profitieren und man als Pflegepersonal sofort merkt wenn die Bezugsperson am Wärmebettchen steht.

Die Eltern werden bei mir Stück für Stück an das feinfühlige Handling mit ihren frühgeborenen Baby geführt. So, dass die Eltern nach gewisser Zeit ihr Kind alleine wickeln, füttern oder stillen, baden und versorgen können.

Die Wissenschaft…

bestätigt in so vielen Analysen und Studien das Haut an Haut Kontakt (Bonding) mehrmals täglich und das nicht nur bei Frühgeborenen, sondern generell ab dem Zeitpunkt wo euer Baby das Licht der Welt erblickt, ein Gefühl von Sicherheit gibt und körperliche Beschwerden lindert. Die Atemfrequenz eures Kindes beginnt sich in einem normalen Bereich einzupendeln, die Körpertemperatur reguliert sich, die Herzfrequenz wird ruhiger, die Verdauungsprozesse gehen leichter von statten und das vegetative Nervensystem ist ausgeglichener.

Das ist genau der Punkt an dem euer Baby anfängt, sich zu entspannen, dass was es braucht, um zu wachsen, um stärker zu werden, Kräfte zu mobilisieren, euch kennenzulernen und euch wiederzukennen, am Geruch, am handling und an eurer Stimme.

Zu früh geboren und stillen, geht das denn überhaupt?

Und wie das geht!

Am Anfang kann es sein, je nach Frühgeburtlichkeit , dass das Baby noch zu schwach ist, um selbst an der Brust zu trinken. Die Mama kann ihr wertvolles Kolostrum schon vorab gewinnen, wenn sie zum Beispiel weiß, dass eine Frühgeburt anstehen könnte. Dann regelmäßig abpumpen, um dem Baby die Muttermilch über eine Magensonde zu geben. Wenn das Frühgeborene Kraft gesammelt hat, angekommen ist und sich stabilisiert hat, spricht einem Anlegeversuch absolut nichts entgegen.

Wertvoll ist es dann zum Beispiel auch, auf der Station mit einer Stillberaterin zusammen zu arbeiten, egal was es für Schwierigkeiten, Sorgen und Nöte während des Abpumpvorganges, des Stillens oder allgemeine Beschwerden im Brustbereich gibt, ist sie als Stillberaterin die hilfreichste Ansprechpartnerin.

Stillen schafft natürlich nochmal ein anderes Band an Nähe, da es körperlicher ist und man sprichwörtlich miteinander verschmilzt und verbunden ist.

Sollte es jedoch einer Mama nicht möglich sein, weiter zu stillen oder generell zu stillen, empfehle ich immer das Bonding. Haut an Haut Kontakt wann immer es geht! Kuscheln, egal ob auf der Brust oder im Arm und sanfte Berührungen zum Beispiel am Kopf oder den Füssen, um jederzeit das Gefühl des Haltens zu geben.

Auch beim Flasche füttern kann man Nähe aufbauen und schaffen. Weiterhin Zuhause, nach dem Klinikaufenthalt, ganz individuell auf die Bedürfnisse des Kindes zu reagieren und einzugehen.

Das Gefühl von Wertschätzung im Bezug auf‘s stillen…

ist nicht nur so ein Gefühl, es ist sogar eine Tatsache, denn nur die Mama selbst kann das ihrem Kind geben und vor allem aber sich selbst.

Das Gefühl von Wertschätzung mir selbst als Mama entgegen zu bringen, mit der Erkenntnis, dass ich als Mama aktiv etwas für mein Baby tun kann. Denn am Ende des Tages, ist es genau das, dieses eine wundervolle Gefühle, wenn die Mama die Klinik am Abend wieder verlässt. Genau deswegen ist es den Mamas auch immer so wichtig, diesen Stillprozess und die Stillbeziehung zu ihrem Frühgeborenen aufrecht zu erhalten.

Als Pflegepersonal achtet man dann noch mal genauer auf die Mama’s. Da sie sich auch gern mal komplett dabei vergessen und sie daran erinnert werden müssen, auch auf sich selbst aufzupassen, sich nicht zu vergessen. Sie daran zu erinnern nicht auf Biegen und Brechen und bis zur völligen Erschöpfung zu agieren, sondern auf ihren Körper zu achten. Die Bauchgeburtsnarbe zu schützen, eventuelle Verletzungen im Intimbereich wahrzunehmen und auch immer wieder an ausreichend trinken und eine warme Mahlzeit zu erinnern.

Die Mama während des Stillens oder Flasche geben, zu einer entspannten Sitzposition anzuhalten und sich jederzeit auch diese Aufgaben mit dem Partner und anderen Bezugspersonen zu teilen. Gerade auch dann, wenn zu Hause noch Geschwisterkinder, der Haushalt und das ganze drumherum auf Sie warten. In diesem Bezug sind wertvolle Absprachen untereinander und sich gegenseitig eine Stütze sein von hoher Wertigkeit.

Das was ich fühle…

Das vieles kann, aber nichts muss, ich mich als Eltern auf das eigene Bauchgefühl verlassen kann und darf.

Ich selbst als Eltern die unglaublich große Chance bekomme, zu meinem Kind eine achtsame Bindung aufzubauen, mit der Unterstützung und Hilfe die ich benötige.

Niemals verlegen sein um Hilfe zu fragen.

Dass mich als Pflegepersonal oder als Eltern jederzeit das offene Gespräch, in Verbindung mit einem respektvollen Umgang, weiter bringt und ich mich als Mama oder Papa niemals für meine Gefühle, Ängste oder Sorgen schämen muss.

Bindung schafft ein Band des Fühlens, wo der starre Blick nur schwer hinkommt.

Auf das intuitive und eigene Bauchgefühl darf man als Eltern ruhig vertrauen, alles kommt zu seiner Zeit und findet zusammen.


Eure Jenny von Mama Bauchgefühl

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